Urlaub
Der ursprüngliche Sinn ist in allen germanischen Sprachen die von jemand gegebene Erlaubnis, sich zu entfernen und Abschied zu nehmen, Genaueres siehe unten bei Adelung.
- Die Urlaubsreise findet sich im Schriftdeutschen etwa ab 1788, meint jedoch immer noch eine Reise die zustande kommt, weil jemand seiner Pflichten entbunden wurde, also etwa die Urlaubsreise von Offizieren oder hohen Staatsbeamten nach Hause.
- Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbindet sich die Urlaubsreise mit Vorstellungen von Freizeit und Erholung:
„Es war ein wundervoller Maiabend, als wir mit den unbeschreiblichen Gefühlen die größeren Urlaubsreisen voranzugehen pflegen den Waggon nach Prag auf der Wiener Nordbahn bestiegen. Wir sagen Urlaubsreise, welche sich von gewöhnlichen Vergnügungsreisen blasirter Partikuliers, Rentiers, Capitalisten und sonstiger frei stehender Menschen dadurch glänzend abhebt, daß sie jenen Personen, die den übrigen Theil des Jahres hindurch von den Pflichten eines anstrengenden und ernsten Berufes geknechtet sind, ein doppeltes Interesse und doppeltes Vergnügen gewährt, daher ich allen Reisenden, die wahren Genuß und wahre Erholung suchen, zurufen möchte: Arbeitet früher und dann reiset so, wie die Aerzte vor angenehmen Diners erst eine anstrengende Jagd oder eine sonstige tüchtige Appetits Commotion empfehlen.“
August Schilling
Auf und davon! Humoristische Wanderbriefe eines Wieners. 1871 Enders, S. 38 - Freizeit und einen bezahlten Jahresurlaub erhielten zuerst Reichsbeamte ab 1873. Bis 1914 erhielten alle Beamten, die Mehrheit der Angestellten, aber nur ein Bruchteil der Arbeiter bezahlten Jahresurlaub. Hierarchisch betrug diese Freizeit zwischen drei Tagen und sechs Wochen. Ein allgemeiner Anspruch auf Freizeit und Erholung wurde in den 1930er Jahren formuliert (→KdF).
- NN (Th. Pößl?) Der freie Landesbote: unabhängiges Organ für die Vertretung freiheitlicher Bestrebungen. München, 18.168 (1887) 29. Juli S. 1
„Ferien! Urlaub!
Es weht wie ein erfrischender Lusthauch aus diesem Worte, insbesondere wenn man es an einem recht heißen Sommertage in tiefem Athem ausspricht. Die Sylbe Ur stößt du kräftig aus, als wenn du deine Brust von allem Krimkrams, der aus ihr lastet, befreien wolltest und mit der zweiten Sylbe saugst du neues verjüngendes Leben ein. Es ist ein behagliches Wort, etwas breit, aber urwüchsig kräftig, nichts windig schillerndes hat es an sich und man merkt ihm an, welchem prächtigen Begriffe es als Kleid dient. Freilich fehlt unserer fiebernden Zeit schon einigermaßen das Verständniß für die Poesie des Urlaubes. Der Urlaub sollte die Zeit sein, in welcher das Ursprüngliche der Menschenseele, dessen reiner Quell von den Abfallwässern unserer modernen Bildungs- und Culturfabriken getrübt ist, sich wieder klärt. Ja, ein richtiger Urlaubsgenuß soll mit einer gewissen Verkindlichung des Menschen verbunden sein, die Kinder verstehen es am besten „sie selbst“ zu sein und sobald der sentimentale Mensch, um im Schillerschen Sinne zu sprechen, naiv wird so ist es ein Rückfall oder besser gesagt ein angenehmes wohliges Zurückgleiten in die Kindlichkeit. Der Schuljunge, den wir längst mit der Schultasche abgelegt zu haben glauben, wacht plötzlich in uns auf, wir fühlen uns zu losen Streichen, sinnendem Nichtsthun, ziellosem Schweifen angeregt und weisen mit derselben Entrüstung wie der feriengenießende Knabe widerwillig jede Erinnerung an den Beruf von uns. Und was Wunder! Bleiben wir doch Schuljungen, auch wenn wir statt die harte Schulbank weiche Großvaterstühle die Last unserer Persönlichkeit empfinden lassen, die „Pensa“ des Lebens müssen oft genug mit schülerhaftem Widerstreben erledigt werden, wir sonst nicht aufsteigen können. Diesem Zwange der Lebensverhältnisse, um es rundweg herauszusagen, genießen sich käferartig seiner Existenz freuen, das ist wahre Urlaubskunst. Der Urlaub muß wie ein Schwamm über die vollgekritzelte Tabula unseres Gehirns fahren. Wer etwa eine energische Urlaubscur fürchtet, der mag sich trösten; das Sorgengekrikel geht zu tief, ist zu scharf geätzt und wie manche Geheimschriften der Einwirkung der Wärme ausgesetzt, wieder zu Tage treten, so tauchen alle diese beurlaubten Sorgen wieder auf, sobald wir in unseren alten Beziehungen wieder warm geworden sind. Allein diese Art des Urlaubes kommt allmälig aus der Mode. Der Urlaub mit Bädeker und Rundreisekarte ist an der Tagesordnung und anstatt irgend einem weltverlassenen Winkel seiner Wiedergeburt zu leben, sucht man gleich einem widerwärtigen Kümmeljungen, dem die Blume nur gefällt, wenn er sie in seiner Botanisirbüchse davon schleppen kann, Neues zu lernen und zu sehen. Das ist kein Urlaub mehr sondern eine Studienreise. Mögen also solche moderne Studienreisende den friedlichen Namen eines Urlaubers nicht ihr schweißtriefendes Geschäft mißbrauchen.
Uns steckt aber eine elende Zappelhaftigkeit in den Gliedern, die nur wenige philosophische Naturen zu unterdrücken verstehen. Das zappelt und krabbelt durcheinander, als wenn es die Theile eines unendlichen perpetuum mobile wären. Und doch ist die Frage offen, ob Ruhe oder Arbeit dem Wesen des Menschen entsprechender sei? Trotz der ameisenartigen Geschäftigkeit des Menschenvolkes ist doch zweifelhaft, ob die Natur die Erde zum Ameisenbau bestimmt hat und ob sie uns nicht zu edlem Genießen geschaffen.
Wenistens lässt dies der allgemeine Drang nach dem Urlaub vermuthen; ein Drang, welcher sich freilich zumeist mit der ratenweisen Befriedigung in arbeitsfreien Stunden und Tagen begnügen muß. Was beweist denn diese ewige Rackerei und Mühe, da sie doch nicht Selbstzweck, sondern blos dem Erlangen süßer Urlaubsruhe gewidmet ist.
Urlaub ist nicht nur die zeitweilige Lockerung der Bureauketten sondern Alles was uns von irgendwelchem Zwange befreit. Auch süßer Zwang wird zur Last, wie ja bekanntlich Herr Tannhäuser von Frau Venus Urlaub begehrte dessen Verweigerung er so übel nahm und ihm so übel bekam.
Herr Tannhäuser hat in den schönen Armen seine biedere Seele verloren und wollte sie auf einer Urlaubsreise wiedergewinnen. Liebe und Hunger sind bekanntlich – Bundesgenossen und so mag denn der Sprung von dem liebessiechen Tannhäuser zur modernen Magenfrage einigermaßen durch Gedankenassociation begreiflich erscheinen. Nun, was ist denn die ganze sociale Frage Anderes als der Wunsch von Millionen nach den Segnungen des Urlaubes, der zeitweiligen Entlastung von Müh' und Arbeit? Unsere ganze Civilisation arbeitet eben darauf hin, uns den großen allgemeinen Urlaub, den Welturlaub zu erringen, da Jedem sein gerechtes Stück Urlaub zugemessen sein wird. Bis dahin wird sich wohl die Mehrzahl der Menschen mit einem ebenso gleichmäßigen und sicheren Urlaub begnügen müssen, den uns Freund Hein zumißt. Für die kurze Arbeit des Lebens Urlaub genug! Oder sollte das Leben der Urlaub sein und das Unbekannte unser wahrhafter Zustand? Ei, das sind schöne Urlaubsgedanken. Das kommt davon, wenn man an heißen Sommertagen in dumpfer Stube dem Urlaub nachsinnt. Laß dir's Warnung sein, o Leser, und so du es noch nicht gethan hast – nimm Urlaub! - Heute definiert die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen FUR die Urlaubsreise über eine Dauer von mindestens vier Übernachtungen (fünf Tage) mit dem Zweck der Erholung, die in der Freizeit angetreten wird.
Andrea und Justin Westhoff
Eine kleine Kulturgeschichte des Urlaubs
Deutschlandfunk, Erstausstrahlung am 05.07.2018. Online
Parallel dazu entwickelte sich eine Vorstellung von Ferien, insbesondere an Schulen und Universitäten gab es Ferienordnungen:
- „ferien, schulfreiheit; feriae u. nomenclator hamburg. (1634) 286; gerichtsferien Staub-Tobler 3, 960; vacantie nl. wb. 11, 126, 2b: wen man dan in der schul als am donstag und samsztag urlob hatt, gieng ich zum frowenminster Th. Platter 38 B. frühlings-, herbst-, hundstags-, ernteurlaub; urlaubtag, urlaubszeit Staub-Tobler 3, 959 f.; Fischer 6, 299. auch für ferienaufgaben Staub-Tobler 960. nicht mehr schriftsprachlich, doch ähnlich: ich geniesze nun in meinem haus den völligsten u. Göthe IV 11, 85 W.; vgl. IV 8, 357 W.“ 1)
- Adelung: „Urlaub“, Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (Ausgabe letzter Hand, Leipzig 1793–1801), digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/25, Online, abgerufen am 13.12.2025.
Referenz zur gedruckten Ausgabe: Anfang des Artikels: Bd. 4, Sp. 964, Z. 5:
Der Urlaub, des -es, plur. car. ein ehedem sehr gangbares, jetzt bis auf einige wenige Fälle veraltetes Wort.
1. Eine jede Erlaubniß, eine jetzt völlig veraltete Bedeutung, in welcher es ehedem auch ungewissen Geschlechtes war. Schon bey dem Kero Vrlaubii, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Orlof, Dän. Orlov, Nieders. Verlöv, Schwed. Orlof, Ißländ. Ordlof. Daz Vrlob gibt der Konig, im Schwabenspiegel.
Wir gebrauchen es, 2. Nur noch in engerer Bedeutung, von der Erlaubniß eines Höhern, wegzugehen, sich auf einige Zeit zu entfernen, wo es doch auch nur im gemeinen Leben und in einigen Fällen üblich ist. Man gebraucht es am häufigsten ohne Artikel. Wenn sich der Schüler auf kurze Zeit aus der Lehrstunde entfernen will, so bittet er den Lehrer um Urlaub. Am häufigsten ist es bey den Soldaten, von der Erlaubniß, welche der Vorgesetzte seinem Untergebenen gibt, sich auf eine gewisse Zeit aus dem Stand-Quartiere zu entfernen, oder auch nur von dem gewöhnlichen Dienste befreyet zu seyn. Einem Soldaten Urlaub geben. Urlaub nehmen, diese Erlaubniß suchen und erhalten. Urlaub haben, im gemeinen Leben auch auf Urlaub seyn. Da es denn auch von der Zeit gebraucht wird, auf wie lange diese Erlaubniß ertheilet wird, in welchem Falle es auch den Artikel leidet. Der Urlaub ist aus, ist zu Ende. Daher beurlauben, solchen Urlaub geben oder ertheilen.
3. Der Abschied, die Abreise, Entfernung, und die Worte, mit welchen man sich in der gesellschaftlichen Höflichkeit in diesem Falle einem andern empfiehlet.
Der sumer urloub hat genomen, Graf Kraft von Toggenburg.
Ouch wurden ir vil lichte ougen rot
Do ich urlub nam und mich in ir genade bot,
Graf Otto von Bottenloube.
Urlup der ritter do genam
Von der vil liben frowen sin,
der Burggr. von Linnz.
In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen gleichfalls veraltet. Man sagt nur noch im gemeinen Leben, Urlaub hinter der Thür nehmen, d. i. ohne Abschied zu nehmen, weggehen. Indessen hat man davon noch das zusammen gesetzte sich beurlauben, Abschied nehmen, S. dasselbe.
Anm. Aus dem obigen erhellet, daß ur hier nichts anders ist, als die Vorsylbe er nach einer rauhern oberdeutschen Mundart, und daß Urlaub mit Erlaubniß eigentlich gleich bedeutend ist, so wie das veraltete urlauben mit erlauben.
Referenz zur gedruckten Ausgabe: Anfang des Artikels: Bd. 24, Sp. 2466, Z. 60; Originalausgabe: XI. Band, 3. Abtheilung, Lfg 16. ureigenthümlichkeit — urstoff. Erscheinungsjahr: 1935.
